Dienstag, 15. Februar 2022

Midnight Kirmes

 
Das Wetter ist schön, die ersten Blumen kommen aus den Feldern hervor, höchste Zeit mal wieder etwas über seltsame Filmwerke aus den Untiefen der Dämonenkirmes zu verfassen.

Diesmal soll es um die Serie "Midnight Mass" gehen, die ich recht gut unterhalten und recht arg befremdet vor einiger Zeit angeschaut habe. Die grobe Zusammenfassung (Verdrehung und Verfälschung meinerseits ist vollumfänglich vorbehalten:)
In einer kleinen Stadt, die auf einer Insel liegt und für mich Assoziationen mit Innsmouth aus H. P. Lovecrafts "Schatten über Innsmouth" weckte, wird der ältliche und recht demente Gemeindepriester, welcher zuletzt auf einer Wallfahrt im Heiligen Land war, durch einen jungen und charismatischen Übergangspfarrer ersetzt. Dieser ist hochmotiviert und diensteifrig, die Gemeinde blüht auf, der wie in meinem Fall zuschauende gläubige Katholik seufzt auf und freut sich, und alles scheint ganz toll zu sein. Sogar wundersame Ereignisse wie Krankenheilungen passieren, sodass die recht vertrocknete Pfarrsekretärin, Religionslehrerin und wasnichtnoch in Personalunion euphorisch von einer "religiösen Erweckung" der Insel träumt.

Aber natürlich, wie könnte es anders sein, alles hat einen Haken! Plötzlich verschwinden auch Menschen und unheimlicher Kram passiert. Mit der Zeit erfährt der Zuschauer: unser hochmotivierter Pfarrer, der wahrscheinlich sogar im Alleingang den Synodalen Weg gesprengt hätte, ist nicht, was er zu sein scheint. Es handelt sich dabei tatsächlich um den alten Pfarrer, welcher im Sandsturm herumirrend in ferner orientalischer Wüstenei in eine Ruinenstadt taumelte. Dort fiel er einem Vampire zum Opfer. Dieser gab dem Mann von seinem Blut zu trinken, worauf der Pfarrer verjüngt und vollkommen körperlich saniert wieder das Licht des Tages sieht. Kurzentschlossen packt nun der Pfarrer den Vampir, den er für einen Engel hält, in einen Koffer (ähem...) und nimmt ihn mit in seine Pfarrei um mittels des vampyrisch Bluth, welches er in den Messwein träufelt, allerhand Leiden zu kurieren. Alles artet natürlich immer weiter aus, irgendwann kann Hochwürden auch nur noch nachts die Messe lesen, um nicht von der Sonne gebrannt zu werden und das große Finale kommt dann in der Osternacht... Zu diesem Zeitpunkt war die Serie für mich leider schon bereits vollkommen ins Absurde abgedriftet und jedes unheimliche Geheimnis irgendwie toterklärt. Zum Schluß kommen noch allerhand familiäre Verstrickungen heraus, Zombievampire durchrennen die Osternacht und die Stadt wird in Brand gesteckt, bevor zu kitschig-emotionaler Abschlußmusik ein ebenso kitschig-emotionales Plädoyer für den Atheismus und für das ganz zauberhafte Zerfallen des Menschen in Atome gehalten wird. Wie gesagt: Ganz zauberhaft. Zum End' hin geht die Sonne über dem Kriegsgebiet, das so von der Stadt geblieben ist auf, woraufhin alles Vampyrische verglüht. (Bzw. wahrscheinlich gemäß des Kitschepilogs ganz wunderbar wieder zu Einem wird.)

Bis ungefähr zur Hälfte stellt die Serie übrigens auch manchmal ganz interessante moralische Fragen in den Raum. Ich  habe mich insgesamt auf seltsame Weise ganz gut amüsiert und nebenher (tatsächlich) auch manchen wunderbaren Aspekt der katholischen Spiritualität wieder neu lieben gelernt.
Insgesamt sei "Midnight Mass" allen Freunden des Vampirs im Koffer und käsiger Elektro-Epilog-Musik herzlich empfohlen!