Samstag, 18. April 2020

Geschichte vom Krieg an der Silbernen Pforte und vom Untergang Alsirs

Habe inzwischen ein bisschen an meiner Welt Emelda weitergesponnen. Vor einiger Zeit schon schrieb ich die Geschichte des Untergangs des Königreichs Silberpfort. Mir haben nur noch drei Namen gefehlt. Da ich diese nun habe, teile ich gerne diese alte Volkssage mit dem geneigten Leser:


Vom Krieg an der Silbernen Pforte berichtet eine Geschichte...

...In alten Tagen, vor dem Zersplittern der Reiche, lag westlich des Großen Gebirges das Königreich Silberpfort. An den Hängen des Gebirges stand dessen Hauptstadt Mar-Dimór, die Stadt aus Silber. Die Dächer Mar-Dimórs, so sagt man, waren mit Silber gedeckt und damals zogen Handelskarawanen aus der alten Stadt Sirmalion in Nimmereth herauf und großer Wohlstand herrschte. Der König dieses stolzen Landes war Gabríl, der Sohn von Golíl, welcher bis in die Tage des Beginnes der Welt abstammt von Großkaiser Esgólir, von dem schon damals nur noch Legenden erzählten.


Der König von Silberpfort und Herr des Hauses von Mar-Dimór pflegte Hof zu halten im Hause der Sieben Weisen, welche Ratgeber der Könige seit Beginn der Zeit waren. Ihrer waren es stets sieben gewesen und jeder dieser Weisen erreichte hohes Alter jenseits menschlichen Maßes. Sie gingen, wenn ihre Zeit gekommen war, hinauf ins Gebirge, wo sie von Greifen der Welt entrückt und davongetragen wurden.


Eines Tages wurde in der Stadt ein Knabe geboren. Genannt Alférid („All-Frieden“) von seiner Mutter. Dieser war ein schönes Kind, stark und außerordentlich klug. Aus dem Kind wurde ein junger Mann und er lernte rasch das Wissen der Welt und geheime Künste, sodass er nur wenig noch unter den Sieben Weisen stand; und schnell wurde er aufgrund seiner Taten in der Stadt und dem Reiche bekannt. Zu dieser Zeit wuchs im Herzen des Jünglings auch der Stolz und schwarze Geheimnisse wisperten ihm in Ohr und Herz und manchen Plan schmiedete er, wie er groß zu werden gedächte. Auch begann er, sich Alkunt („All-Wissen“) zu nennen. Es fand sich, dass er häufig zum Haus der Sieben Weisen hinging um mit diesen zu streiten. Anfangs war der erstaunliche Jüngling dort wohlgelitten, es ging aber dahin, dass er offen seine Überzeugung kundtat, den Sieben gleichauf, wenn nicht gar höher als alle von ihnen, zu stehen, bis er schließlich gar meinte und sprach, die Zeit der Sieben sei vorbei und von nun an müsse er einziger Berater des Königs von Silberpfort oder besser noch: selbst König sein und bleiben. Dies Ansinnen wiesen König und der Siebenrat mit Nachdruck zurück und so verließ der in seinem Stolz gekränkte Alkunt das Haus hinaus in eine Regennacht und sann auf Rache.


Eines Tages erreichte den Alkunt ein Botschafter von Norden kommend. Dieser übermittelte ihm eine Nachricht vom Bergkönig, dem Herrscher der schwarzen Geister des Gebirges, in der dieser dem jungen Mann anbot, ihm dabei zu helfen den ihm vermeintlich zustehenden Platz als König und Herr einzunehmen. Lediglich Pflege von Freundschaft zwischen Silberpfort und dem Reich des Bergkönigs sollte, so schrieb der Herrscher der Berggeister in süßen Worten, nach Übernahme der Herrschaft durch den eifernden Jüngling die Bedingung hierfür sein. So der Jüngling zustimme, solle in der marmornen Halle Mímired zu Mar-Dimór ein Gastmahl zwischen Alkunt und dem Bergkönig zur Besiegelung des Bundes stattfinden. Hocherfreut sagte Alkunt noch auf der Stelle zu und harrte des Tages des Gastmahles auf Mímired.


Der Tag des Mahles kam. Sturm war aus dem Gebirge über die Stadt gezogen und dunkle Wolken verhüllten den Himmel. In schwarze Gewänder gehüllt erreichten der finstere König und sein Gefolge, verhüllt von den Wolken des Sturmes, die Stadt. Auf Mímired hatte Alkunt bereits alles vorbereitet. Die köstlichsten Speisen und Getränke hatte er herbringen lassen und der beste Wein aus den Ländern des Südens harrte in goldnen Kannen des Brudertrunkes. Während des Mahls, das als das Schwarze Gastmahl in die Erzählungen des Volkes einging, übergab der Bergkönig seinem jungen Gastgeber als Gastgeschenk und Zeichen seiner erklärten Freundschaft einen geschliffenen Stein. „Nimm diese Gabe aus meinem Reich, lieber Freund!“ sprach er. „Darauf steht ein neuer Name, den du fortan tragen sollst, solange unser Bund währt und er soll dir wohl anstehen. Dies' Reich ist dir wahrlich zu klein!“ Der junge Mann nahm den Stein entgegen und Tränen traten ihm in seine vom Stolz verblendeten Augen, als er den in alten Runen geschriebenen Titel Alsir („All-Sieg“) darauf las. So wurde der Bund besiegelt und Alsir fuhr mit dem Gefolge des finsteren Königs davon in die Berge, wo er ein Heer zu rüsten begann.


Kurze Zeit darauf begann Krieg die Nordgrenzen von Silberpfort zu bedrängen. Grässliche Ungetüme aus dem Herzen des Gebirges sowie verhetzte Soldknechte stürmten gegen die Grenzen an und nahmen Stadt um Stadt, Ort um Ort. Mar-Dimór selbst fiel in einer Gewitternacht nach sieben Tagen erbitterten Kampfes. Die Weisen und der König zogen sich in eine Fluchtburg im Gebirge zurück, von wo sie mit ansehen mussten, wie das einst stolze Königreich Silberpfort in Flammen aufging.


Voll Schrecken hörte man in den Ländern Nimmerreth und Andunë vom Fall von Mar-Dimór und den Städten des Nordens. König Emilúd sowie Artan von Nimmereth stellten beide große Heere auf um Silberpfort, der Krone der Länder der Menschen, zu Hilfe zu eilen. Zu Sirmalion bündelten sich die Heere und marschierten auf die Silberne Pforte Aredin Marâ zu.

Es kam zu einer gewaltigen Schlacht an der Silbernen Pforte, aus der Nimmereth und Andunë siegreich hervorgingen. Jedoch brachten die unheimlichen Gewalten der Untertanen des Bergkönigs die Silberne Pforte zum Einsturz und schnitten somit das Befreierheer der Menschen von jedem Nachschub ab. In der folgenden Zweiten Schlacht von Mar-Dimór siegten zwar erneut die Menschen, jedoch verblieb von der einst herrlichsten Stadt der Menschenwelt wenig mehr als ein Aschehaufen übrig. Auch schien sich nun das Kriegsglück zu Ungunsten der Menschen zu wenden. Verstärkt durch ein Heer steinerner, schwarzer Truppen schlugen die Soldaten Alsirs die Menschenheere und warfen sie an die Ufer des Dúnrath (Wiesenwasser), eines Zuflusses des Agaraths, zurück. König Emilúd war auf dem Rückzug von einem Kriegshammer getroffen und dadurch tödlich verwundet worden. Seine Mannen begruben ihn in der Ebene. Artan galt nach einem Überraschungsangriff feindlicher Kräfte für verschollen und sein Schicksal bleibt bis heute unbekannt und unbesungen.

Dort, am Ufer des Dúnrath, grub man sich nun ein, die wenige Hoffnung auf Standhalten, die noch vorhanden war, als letzte Waffe aufbietend. Die Lage war verzweifelt. Die Angriffe der Feinde intensivierten sich von Tag zu Tag und man erwartete in Kürze den vernichtenden Abschlussstoß und den Durchbruch aus deren Reihen. Da geschah, womit niemand gerechnet hatte. Menschen und Elfen aus der Gegend südlich der Mündung des Agarath kamen zu Hilfe. In der Schlacht auf den Feldern des Dúnrath konnte die finstere Brut zurückgeschlagen werden. Die Anhänger des jungen Emporkömmlings und die Kreaturen des Bergkönigs ergriffen die Flucht. Der geschenkte Runenstein aber zersprang, als Alsir mit einigen seiner versprengten Truppen die Flucht ergriff und jener wurde schließlich vom Bergkönig in das Dunkel seiner Kammern gezogen, wo der Jüngling bis heute in einem Saal aus schwarzem Marmor und voll giftigen Efeus Übles denkend und ersinnend sitzt, verbannt bis in Ewigkeit, so heißt es.

Das Land Silberpfort war nun verwüstet. Die einstige Unschuld dieses großen Reiches durch das viele vergossene Blut, den Verrat und die Niedertracht zwischen Schwester und Schwester, Bruder und Bruder, besudelt und dahin. Die Sieben Weisen verteilten sich in die Welt, wodurch die verborgenen Künste in die Lande hinausgetragen wurden. Gabríl, der letzte König von Silberpfort zog mit einer Handvoll Getreuer nach Südwesten, wo unter ihren fleißigen Händen das Reich Emelda entstand. Andere übriggebliebene Bewohner Silberpforts verstreuten sich gleichfalls in alle Winde und brachten ihr Wissen und ihre Traditionen in alle Teile der Erde, wo ihre Kunst und ihr Können Frucht trugen und Gutes bewirkten. Neue Reiche entstanden und vergingen und die einzelnen Länder der Menschen kümmerten sich nun mehr um ihre eigenen Belange und in aller Fröhlichkeit blieb eine Spur der Trauer um die Zerstörung und den Niedergang Silberpforts, des Stolzes der vergangenen Welt.