Donnerstag, 19. Dezember 2019

So eine Art Un- und Glaubensbekenntnis

Jetzt, wo das Jahr sich neigt, die Tage noch recht düster sind und man oft gut ins Nachdenken kommen kann, sind auch mir ein paar Gedanken gekommen, die ich so einfach mal feststellen möchte.

Bin vor kurzer Zeit wieder einmal mit einer dieser ein bisschen drahtbürstigen Andachten konfrontiert worden, bei denen es mutmaßlich darum geht, den Leser irgendwie "in die Pflicht zu nehmen" mit seinem Glauben. Ja, man darf auch merken, dass mich das ein bisschen verstimmt und ich diesen Stil nicht mag. Da kam sie dann, diese bewusst direkte und provokative Frage: "Glaubst du wirklich fest daran, dass Jesus auferstanden ist und dass jetzt...". Oder so. Habe das zum Anlass genommen, darüber zu reflektieren und eine Antwort darauf zu formulieren, eine Art persönliches Glaubens- oder Unglaubensbekenntnis, das dann ungefähr so lauten könnte:

Wenn mit "Glauben" ein festes Überzeugtsein von den christlichen Glaubenssätzen aufgrund von vermeintlich harten Fakten und unwiderlegbaren Beweisen oder stechenden Indizien gemeint ist, dann müsste ich die Frage mit "Nein, eigentlich nicht." beantworten. Dementsprechend läuft auch ein Versuch, mich mittels eines "Uncle Sam wants you to believe in God!" in schlechtes Gewissen und daraus resultierende vermeintliche Glaubenshandlungen zu treiben, glatt ins Leere. Mir ist Gott nie in einer Vision begegnet. Ich habe kein Erlebnis gehabt, das für mich alles verändert und in Frage gestellt hat. Mein Leben war nach irdischen Maßstäben nicht gänzlich ruiniert und ich nicht gefangen im Begehen schrecklicher Untaten. Ich habe keine Vision vom Himmel herunter gehabt und keine Stimmen gehört. Alles das nicht, auf keinen Fall! Auch finde ich nicht, dass z. B. biblische Zitate über die Liebe Gottes todsicher dazu führen, jedermann vom Christentum zu überzeugen. War bei mir auch nicht so. Ich habe für mich im Zuge dieser Reflektion postuliert, dass es grob gesprochen vielleicht zwei Arten Glauben gibt. Den auf festen Überzeugungen basierenden Glauben und einen auf Sehnsucht basierenden. Der zweite wäre dann eher meiner. Mir ist meine Sehnsucht nach Gott (ich sage jetzt einfach mal "Gott", auch wenn ich mir damit nicht anmaßen will, konkret diesen einen Gott der Christen zu meinen) und meine Suche nach etwas Höherem eher im Geheimnisvollen und Unwägbaren begegnet. Die inspirierendsten Überlegungen zu Religion und höheren Dingen hatte ich an kalten Wintertagen allein im Wald. Die Fragen, die mich umtreiben, betreffen eher die Vergänglichkeit aller Dinge und die daraus resultierenden Folgen. Freunde weg. Gesundheit weg. Ganze Gesellschaftssysteme weg. Und jetzt? Bleibt etwas? Entsprechend lockt man micht jetzt mit so einem sozialpolitischen Kirchentagschristentum nicht richtig hinter dem Ofen hervor. Ich glaube nicht, dass ich an meinem Sterbebett dann Hoffnung und Trost daraus schöpfen könnte, keinen Ostermarsch seit 1994 verpasst zu haben (Anm: ich gehe tatsächlich auf keinerlei Ostermärsche. Diese sind mir ziemlich zuwider. Das war nur ein Beispiel.).

Ein ganz besonderes Erlebnis "mit Gott" kurz bevor ich mich entschieden habe, mich diesem Gottesverein "Kirche" (man verzeihe die flapsige Ausdrucksweise!) mal anzuschließen, war dieses, vor etlichen Jahren an einem düsteren Morgen kurz vor der Wintersonnwende, als ich übers Wochenende zu Gast bei Freunden war. Bin an diesem Tag früher als der Rest der Leute aufgewacht und habe dann aus dem Fenster geschaut, die Düsternis zwischen den Bäumen dort am Waldrand gesehen, den Wind gehört. Sonst nichts. Kein Laut im ganzen Haus. Tage vorher hatte ich einen Bibelvers aus der Offenbarung gelesen: "...Und die Könige auf Erden und die Großen und die Reichen und die Hauptleute und die Gewaltigen und alle Knechte und alle Freien verbargen sich in den Klüften und Felsen an den Bergen und sprachen zu den Bergen und Felsen: Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesichte des, der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! Denn es ist gekommen der große Tag seines Zorns, und wer kann bestehen?" Ich kann nicht recht erklären, in welchem Zusammenhang das Gesehene und der erinnerte Text dabei standen. Aber in dem Moment hat es einfach perfekt gepasst und direkt mein Herz getroffen.

Wo waren wir? Ach ja. Also, mein Glaube ist eher eine Art Beschäftigung mit dem großen Rätsel. Ich nehme die biblischen Zusagen an, lasse mich gewissermaßen mehr in diese Versprechen und Hoffnungen hineinfallen, höre zu und hin. Und ich zweifle auch manchmal - und, nein, schäme mich kein bisschen dafür. Ich fände es unredlich, jemandem erzählen zu wollen, dass es ganz sicher wäre, dass dieser Gott (oder allgemein: Gott) tatsächlich existiert. Für mich ist es auch nicht sicher. Fragen bleiben. Düsternisse. Das verborgene und abgewandte Angesicht Gottes. Das nehme ich ernst. Mit dieser christlichen Szene liege ich auch eher im Streit. Damit kann ich nichts anfangen. Ganz anderer Menschenschlag. Ich lese meine Bibel auch manches Mal kritisch. Einiges bleibt fremd. Aber ich rede zu diesem Gott. Ich habe danach Verlangen, zu reden mit dem, der alles gemacht hat und kennt, mit dem der auf dem Thron sitzt.

Warum Christentum? Einerseits vielleicht einfach, weil ich (irgendwie) christlich erzogen wurde. Weil ich dadurch die Kraft der im christlichen Glauben überlieferten Bilder schon kannte. Die Schönheit seiner Werte, die Schönheit von beispielsweise Vergebung und Heilung, Liebe, Treue, und von Hoffnung über den Tod hinaus (damit meine ich wirklich "über den Tod hinaus". Nicht "Die Liebe bleibt." oder so.). Die Frage nach dem Woher von Ethik und Moral. Ich habe seither auch ein paar Bücher über das Verhältnis von Wissenschaft und Glauben oder zu den Argumenten für die Existenz eines Gottes bzw. des christlichen Gottes gelesen und habe daraus die Überzeugung gewonnen, dass es, wenn man alle Fakten einbezieht, nicht unvernünftig ist, die Existenz eines Gottes für möglich zu halten. Wichtig: Wie oben gesagt: es ist für mich weder sicher, noch erwiesen, noch die einzig gute Möglichkeit einer Welterklärung. Aber es scheint eine mögliche Erklärung und nicht per se vernunftwidrig (wenn man nicht gerade die Geschichte von Adam und Eva und ähnliches wörtlich lesen will. Und das Weltalter auf 6000 Jahre herunterdichten möchte. Dann ist es vernunftwidrig.). Daher war es damals meine Entscheidung aus einem Gefühl für die Unzulänglichkeit und Kleinlichkeit des im Westen herrschenden materialistischen Weltbildes heraus mich auf diese "Gotteswette" einzulassen. "Wenn das mit einem Gott und einem Sinn aller Existenz irgendwie wahr ist, will ich dabei sein! Und wenn nicht, ist ohnehin nichts bis ins Letzte ernst zu nehmen.". Doch, da waren auch Erlebnisse unterwegs, die irgendwie "überirdisch" waren. (Kein Gehen über Wasser oder etwas ähnliches, ich muss hier leider enttäuschen). Nichts in 100% sicher, auch gut mit anderen Mitteln deutbar, aber irgendwie auch seltsam, schön, beeindruckend, auf dem Wege.

Ich habe großen Respekt auch vor anderen religiös-philosophischen Systemen oder Ideen. Ich möchte da auch niemandem in irgendwas reinreden. Ich finde auch neutralen Austausch darüber gut, auf freundschaftlicher zwischenmenschlicher Ebene (...wenn diverse Kirchen mit jedem und allem in irgendeinen "Dialog" treten wollen, finde ich das meistens eher schrecklich und als unter "Kirchenkitsch" abzulegen.)

Evtl. kann man mich garnicht wirklich als Christen bezeichnen? Bin sicher auch nicht geeignet noch Willens, in irgendwelchen missionarischen Zusammenhängen mit Meister-Propper-Faktor aufzutreten. Aber mit jemandem, der vielleicht sucht, zweifelt und irgendeine Art Interesse an mehr als Schlafen-Aufstehen-Arbeit-Essen-Arbeit-Nachhausefahren-Essen-Schlafen... hat, zu reden, gemeinsam zu suchen und zu staunen, das könnte ich. Und das ist, wie ich finde, viel wert.