Freitag, 14. Februar 2020

Christlicher Agnostizismus (oder so.)

Aufbauend auf ein paar der Themen, die in diesem Eintrag schon behandelt wurden, habe ich mir in letzter Zeit ein paar Gedanken über meine "Glaubensgeschichte" gemacht und Bilanz gezogen, geschaut, wo ich momentan stehe.

Gestartet bin ich irgendwann 2013, relativ begeistert auch, hatte auch noch Lust, herumzuschauen und zu suchen, bei Sachen, die mich gestört haben, Fragen zu stellen oder zu versuchen, Antworten zu finden. Dann kamen über die Jahre nicht nur gute Erlebnisse und auch Fragestellungen, auf die es entweder keine schnelle Antwort gibt oder die aus ihrer Natur heraus unbeantwortet bleiben müssen. Da gab es auch persönliche Erlebnisse, die nicht so toll waren. Situationen, in denen ich mich im Stich gelassen gefühlt habe oder wo ich für mich erkannt habe, dass die ein oder andere glanzvolle Parole im Endeffekt nicht mehr ist als: eine Parole, die irgendwo verhallt. Sie klingt gut, die Leute fühlen sich wohl und gut, aber an Substanz gibt es da kaum was. Man möchte sich dran festhalten, glauben, dass es stimmt, dass da mehr ist und das Vertrauen gerechtfertigt ist, man greift aber ins Nichts.

Ich bin kein Pazifist. Ich kann teilweise mit diesem flachen Lobpreis nichts anfangen. Mir fehlt oft was Mystisches. Ich möchte auch Dunkelheit und Gefahr ihren Platz geben. Einige Glaubensinhalte machen für mich nicht so viel Sinn. Dinge, die man als Christ tun können sollte, funktionieren bei mir scheinbar nicht. "Gott wählt nicht die besonders Begabten, sondern begabt die, die er für eine Aufgabe auswählt" sagt man. Hm... für manche Sachen bin ich scheinbar nicht nur nicht besonders begabt, sondern Gott liefert mir auch nicht die nachträgliche Begabung. Nicht auserwählt dafür? Aber als Christ muss man doch... Nee! Schluß damit! Ich will das nicht mehr. Irgendwas können müssen. Eine bestimmte Weltsicht haben müssen.

Ich müsste das alles noch viel mehr erklären, hab nun aber gerade die Zeit nicht dafür.

In letzter Zeit, um den Übergang zur Überschrift herzustellen, habe ich manchmal den Eindruck, dass ich eher so etwas wie ein christlicher Agnostiker geworden bin. Vielleicht auch nur ein Agnostiker. Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt, würde auch auf keinen Fall meine Haut dafür verwetten. Dafür habe ich einfach zu viel komisches Zeug erlebt. Ich weiß, dass ich eine Sehnsucht nach Spiritualität habe, sehe auch vernünftige Gründe für die Existenz eines Gottes und weiß auch, was mich am Christentum anspricht und was es z. B. für mich einleuchtender erscheinen lässt als irgendeine Art Naturspiritualität, deren Elemente mich teilweise aber auch ansprechen können, worin ich jetzt keinen unbedingten Widerspruch sehe. Andererseits bin ich vielleicht auch einfach zu skeptisch. Das will ich mir auch nicht abgewöhnen. Und ich will mich nicht länger religiös erpressen lassen. Ich bin, der ich bin. Und das passt so. Kein frommes Im-Staub-wälzen, weil ich nicht genug glaube oder nicht dauerbegeistert bin und nicht durch z. B. meinen vermeintlich positiven Lebenswandel ein so ergreifendes Zeugnis geben kann.

Ein christlicher Agnostiker ist nach Definition von Leslie D. Weatherhead:


A person who is immensely attracted by Christ and who seeks to show his spirit, to meet the challenges, hardships and sorrows of life in the light of that spirit, but who, though he is sure of many Christian truths, feels that he cannot honestly and conscientiously 'sign on the dotted line' that he believes certain theological ideas about which some branches of the church dogmatize...His intellectual integrity makes him say about many things, 'It may be so. I do not know'.
Und damit lasse ich es erstmal bewenden.


(Sie auch hier.)