Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Wieder ist es Freitag. Es folgt der 7. Abschnitt (diesmal etwas sparsamer dosiert, rein mengenmäßig, um das vorläufige Ende noch etwas hinauszuzögern....) des immer noch unvollendeten Buches vom Manottidil.
4. Kapitel
Julisanda und das Manottidil trippelten so eine Weile auf der großen Straße nach Norden entlang. Die Sonne schien ihnen mit enormer Hitze auf die Köpfe, nur ab und zu wurde sie verhüllt von einer kecken Wolke, die das Leuchtegestirn und seinen sprichwörtlichen Zorn nicht fürchten wollte.
Die besagte Straße war von fähigen Baumeistern der alten Zeitalter nahezu schnurgerade durch die Landschaft gezogen worden, ab und zu flankiert von einem schlichten, weißen, etwa hüfthohen Meilenstein, der die Anzahl der Meilen, die der Reisende noch bis Rom zu fahren hatte, oder, wenn man wie unsere beiden Freunde nach Norden unterwegs war, wie viele Meilen man nun schon vom Haupt der Welt, Rom, entfernt war.
Wie es auf einer Reise so zuzugehen pflegt, auf der kein Brettspiel zur Hand ist, auf der keine temperamentvolle Rede von Himmelsphänomenen wie Kometen und ihren Leuchtschweifen, von exotischen, bunten Tieren und niegesehenen südamerikanischen Urwäldern die Stimmung hebt, es kam eine gewisse Langeweile auf.
Julisanda und das Manottidil halfen sich dergestalt ab, dass sie eine der Trinkflaschen, gefüllt mit guten Weins aus der Gegend von San Giacomo, die ihnen ihr zurückgelassener Freund Maurizio zur Stärkung auf die Reise mitgegeben hatte, zwischeneinander hin- und herreichten. Jeder von beiden nahm dann einen ordentlichen Schluck, und, da der Wein die Qual der Welt lindert, fröhliches Gemüt schafft, und die Gedanken fortweht wie ein Wind die Wolken, war es dann an der oder dem trinkenden, einen besonders geistreichen Trinkspruch zu ersinnen, und laut zu deklamieren.
„Hundert Jahre Glück! Mögen alle Völker von tausend Musen besessen werden! Möge es nie einen Mangel an Kalkstein und Romanen geben! Möge die Musik über den Stumpfsinn triumphieren! Heureka Hurra! Prost und Prosit!“
„Tausend Tonnen sonnenverwöhnter Zitronen! Möge es den Hinterhofdichtern von Palermo nie an Inspiration mangeln! Möge allen stets genug Esskastanien zur Verfügung stehen! Mögen alle Gastmähler der Welt fröhlich, und alle Häuser der Welt offen sein! Trimbim Tamerlan! Ein Hoch, ein Hoch! Es lebe der Wein und die Schönheit!“
So, oder so ähnlich, ging es eine ganze Weile dahin, bis die beiden des Spiels überdrüssig wurden, und, von dem guten Wein, ihre Schritte nicht mehr ganz so schnurgerade wie die Straße gelangen.
Noch eine Weile, und Julisanda blickte ihren Ehemann keck, fast ein bisschen frech, an, und rief: „Los! Ein Lied! Wir brauchen ein Marschlied!“
Das Manottidil ließ sich nicht lange bitten und begann umgehend zu singen:
„Gibt es hier Räuber?Gibt es hier Täuber?Tauben und Taube?Schräuber und Schraube?Schraube dich weiter nach Norden mein KindGibt es hier Täufer?Gibt es hier Käufer?
Tauben und TaubeSchräuber und SchraubeTaumele weiter nach Norden, mein Kind!“
sang das Manottidil mit warmer Stimme.
Und Julisanda antwortete seinen Versen:
„Da steht ein Baum im SüdenVoll Äpfel, Orangen und QuittenIn dem sitzen Rabe und Adler,erzählen von Mäusen und Mücken undMäusern in ihren Häusernvon Arglist und bösen Tückenvon Würde und alten Sitten.
Die Äste schaukeln, die Blätter gaukelnSo heftig wie selten man's siehtDer Adler, der Rabe, sie schütteln die Köpfeund singen gemeinsam ein Lied:Ein Segelboot ist leicht gebautEin Fässchen Bier ist schnell gebrautMäuse und Ratten
quellen in Wellenauf alle Felder hinausDas blonde Mädchen
zählt tausend Rädchenauf des Königes Schmaus.“
Die beiden Reisenden lachten vergnügt.
Eine in der Hitze des Tages erfrischende Brise wehte die Hänge der den Weg säumenden Hügel hinab. Es beugten sich die Olivenbäume. Das Manottidil ließ seinen Blick links und rechts der Straße umherschweifen. In die Hügel waren kunstvoll kleine Gärten hineingezirkelt worden. Es sah dort rote und orangne Blumen wachsen, frisches Obst, Trauben, Getreide, verschiedene Kräuter. Ab und war in der Ferne ein kühler, hoher Aussichtsturm zu sehen. Vögel flogen dahin, in exakter Dreiecksformation, und eine gewaltige Stille überwältigte den Sommernachmittag.
„Warum hast du eigentlich keinen Namen?“ fragte Julisanda das Manottidil. Das zwinkerte und antwortete: „Wozu brauche ich ihn? Wenn man mich ruft, komme ich nicht. Wenn ich da bin, bin ich da. Wozu einen Namen? Zoologie und Zensus. Wenn ich da bin, bin ich da. Wenn ich fort bin, komme ich auch nicht wieder. Namen sind nur eine schlechte Versicherung.“
Als sie so redeten und ihre Reise dahinbrachten, konnte, wer scharfes Auge und einen aufmerksamen Blick mitbrachte, am Ende der Straße Staub sehen. Eine ganze Staubwolke, wie eine Windhose in der Wüste. Die Staubwolke näherte sich Julisanda und dem Manottidil, und irgendwann erkannte man, dass es sich um einen Reiter handelte.
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